Im Rahmen meiner Besuche wurden unter anderem Prototypen vorgestellt, die es bis in die Serie schafften, andere wurden eingestampft. Deswegen gibt’s jetzt einmal einen Einblick in die Entwicklung eines LS von der ersten Idee bis zum Fertigprodukt.
Bei der Entwicklung muss unterschieden werden, ob es ein einzelnes LS-Modell oder eine ganze Produktreihe werden soll, wie z. B. die Coax-Serie.
Nehmen wir nur mal an, PIEGA überlegt sich, ein weiteres Coax-Modell zu bauen. Es ist wirklich nur eine Annahme, lediglich ein Beispiel. Es gibt diese Überlegung nicht, sie würde auch keine Aussicht auf Umsetzung haben.
Angenommen, es soll ein Modell zwischen der 311 und der 511 entstehen. Hier bietet es sich an, ins Regal zu greifen. Das Strangpressprofil und die Chassis sind vorhanden. Weiter angenommen, es soll ein Standmodell mit einem angetriebenen Chassis und einer passiven Membran werden. Der grobe Überschlag ergibt, dass die bisherigen Tieftonchassis auch als Solisten in einem passenden Volumen eingesetzt werden können. Das sind schon mal nahezu ideale Voraussetzungen.
Der nächste Schritt ist die Planung und Simulation am CAD. In der heutigen Zeit kann dadurch ein System entwickelt werden, was schon richtig gut funktioniert. Überprüft wird das an einem Holzprototyp, der in der hauseigenen „Bastelecke“ entsteht. Wenn Theorie und Prototyp so in etwa im Einklang sind, wird über die Details nachgedacht, wie z. B. die Fräsarbeiten für die Alu-Schallwand.
Dazu stellt der Fräser einen Prototypen her, dieser wird kritisch geprüft, evtl. muss nachgebessert und wieder geprüft werden. Zum Schluss erfolgt dann noch der Aufbau eines seriennahen Alu-Prototyps, um der Weichenabstimmung den letzten Feinschliff zu verpassen. Auch diese wird letztlich bei einem Zulieferer gebaut, der ein paar Muster zur Prüfung schickt. Und dann kann es mit dem Serienbau endlich losgehen.
Wesentlich aufwändiger ist die Entwicklung einer neuen Baureihe inkl. eines neuen Alu-Gehäuses. Hier muss der Strangpressprofil-Hersteller stärker eingebunden werden. Da aber die „kleine PIEGA“ bei den riesigen Alu-Profil-Herstellern nicht ganz so priorisiert wird wie Airbus oder die Autoindustrie, kann da etwas Zeit ins Land gehen. Mittlerweile werden weltweit in absoluter Spitzenqualität auch größere Strangpressprofile (Umschlingungsmaß) hergestellt. Leider kommen dadurch für die Baumuster auch entsprechende Transportzeiten hinzu. Für jedes neues Gehäuseprofil muss ein neues Presswerkzeug (das „Förmchen“ für das Profil) entwickelt und gebaut werden. Gerade diese Strangpress-Entwicklung dauert eine ganze Weile. Übrigens, das Presswerkzeug, also dieses „Negativförmchen“ für das Profil, schlägt mit einem 6-stelligen Betrag zu Buche! Es kann vorkommen, dass die ersten Pressvorgänge zeigen, dass nachgebessert werden muss, was ein neues Presswerkzeug erfordert. Dann muss die Fräsarbeit und letztlich das Oberflächenfinish in Auftrag gegeben werden. Auch hier wiederholt sich das Spielchen: Prototyp, Kontrolle, nachbessern …
Kleine Anekdote: Die fehlgeschlagenen Muster zum Oberflächenfinish der Schallwand beim MLS2 waren sehr zahlreich, weil PIEGA immer wieder Qualitätsmängel feststellte, die bei der Kaufsumme des Endproduktes völlig inakzeptabel waren.
Wenn’s doof läuft, schmeißt ein Zulieferer das Handtuch und ein neuer muss gesucht werden. Es vergeht dann oft sehr viel Zeit, bis solch eine Entwicklung abgeschlossen ist.
Eventuell werden neue Chassis benötigt. Zwar kommen die PIEGA-Folien aus eigenem Hause, aber die Basschassis werden speziell nach PIEGA-Vorgaben konstruiert und gebaut. Am Holzprototyp wird die Grundabstimmung vorgenommen. Evtl. muss am Tieftonchassis noch einmal Hand angelegt werden, bis Kurt, Daniel und Dominik zufrieden sind.
Sind alle Gehäuse-, Chassis-, Weichen und sonstige Bauelemente da (z. B. die TIM-Module), wird der LS aufgebaut. Unter Umständen wird bei dem Aufbau festgestellt, dass der handwerkliche Zusammenbau durch ein kleines Detail erschwert wird. Dann geht das Spiel mit dem Alu-Bau von vorne los.
So war es z. B. bei der aktuellen Premium-Baureihe. Eigentlich war angedacht, ein „abgespecktes TIM-Prinzip“ (die Spannschrauben der Coax-Baureihe) einzusetzen. Aber alle Versuche scheiterten, ein preisgünstigeres System im prozesssicheren Serienbau zu verwirklichen. Deshalb wurde umgedacht und die MDF-Matrix gebaut. Dabei handelt es sich um eine Art Holzskelett, um das Gehäuse von innen zu versteifen.
Die Gehäuseentwicklung, die Optimierung der Prozesssicherheit und die Qualitätssicherung mit äußerst geringen Fertigungstoleranzen im Serienbau bilden ein zeitraubendes und preistreibendes Element. Die Entwicklung eines neuen Gehäuses kann daher 2 Jahre und länger dauern. Allerdings gilt der Aspekt der prozesssicheren Fertigung mit extrem geringen Toleranzen nicht nur für das Gehäuse.
Noch viel wichtiger ist diese Vorgabe bei den Chassis. Beim Gehäuse wirken sich Fertigungstoleranzen vielleicht nur auf die Optik aus, beim Chassis wirkt sich das aber auf den Klang aus. Nur mal so zur Größenbestimmung: Die aktuellen Koax-Chassis haben eine Toleranz von nahezu 0. Vorteil: Es muss nicht paarweise selektiert werden, was am Ende das Produkt teurer macht und bei einem evtl. Chassis-Tausch erhält der Kunde eine ideale „Kopie“.
Die elektrische Entwicklung eines neuen passiven LS oder einer ganzen Baureihe ist gar nicht so sehr das Problem. Die CAD-Systeme mit ihren Simulationsmöglichkeiten liefern in der heutigen Zeit schon sehr beachtliche Ergebnisse. Damit können Systeme entwickelt werden, die auch ohne gehörmäßige Feinabstimmung ordentlich funktionieren und sogar tolle Messwerte aufweisen können. Insbesondere bei einer eher „kostenoptimierten“ Entwicklung wird das auch recht häufig gemacht.
Was an der Stelle aber häufig nicht beachtet oder stark unterschätzt wird, ist die klangliche Feinabstimmung mit den Ohren bei einer Neuentwicklung. Wie erwähnt, können in der heutigen Zeit mittels CAD Lautsprecher entwickelt werden. Daniel, der schon seit längerer Zeit bei PIEGA für die Feinabstimmung verantwortlich ist, wäre mit dieser Vorgehensweise aber nicht zufrieden zu stellen. Zwar basieren auch „Daniels Schöpfungen“ auf Computerberechnungen, aber es steckt jede Menge Aufwand in der gehörmäßigen Feinabstimmung d’rin. Das absolut Kuriose ist dabei, dass minimalste Veränderungen am berechneten Amplitudengang große Auswirkungen am Gesamteindruck des LS haben können. Obwohl sich der berechnete und der gewollt veränderte Amplitudengang FAST gleichen, ergeben die Differenzen den Unterschied von einem „na ja“ zu einem „ge…l“. Da sich aber in der Entwicklungsphase viel am LS verändert (vom ersten Holzprototyp bis zum Serienprodukt), wird immer wieder gehört, verglichen, verändert und gemessen. Selbstredend finden regelmäßig Querchecks zu bisherigen Modellen statt und selbst bei der Konkurrenz wird mal hingehört.
Um das Feintuning zu vereinfachen, liegen die Bauteile der Frequenzweichen fliegend verdrahtet auf einem Brettchen außerhalb der Box. Damit möglichst schnell Veränderungen vorgenommen werden können, sind die einzelnen Weichenbauteile oftmals nur mit Krokodilklemmen miteinander verbunden. Erst wenn am seriennahen Prototyp alle zufrieden nicken, ergeht der Bauauftrag der Weiche an den hochspezialisierten Hersteller.
Hier im Beispiel das Endprodukt einer "Experimentier-Weiche". Der nächste Schritt wäre der Auftarg an den Weichenbauer.
Wie hoch der Anteil an „Ohrenabstimmung“ und Computerberechnung ist, lässt sich nicht exakt angeben. Eine Faustregel geht von „75% Computer“ und „25% Gehör“ aus, was aber je nach Modell schwankt. Aber gerade diese „25% Gehör“ sind extrem zeitintensiv und werden hausintern immer wieder geprüft, hinterfragt und diskutiert.
Richtig kompliziert wird es, wenn Neuland betreten wird, wie „damals“ mit dem MasterOne oder gar dem MLS. Hier konnte PIEGA nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Das beinhaltete automatisch, dass viele Ideen nicht wie angedacht funktionierten, wieder verworfen und neu erdacht wurden. Kurt und Daniel mussten lernen, die unterschiedlichen Wechselwirkungen und Auswirkungen der Systeme in vielen Messungen und Versuchen zu verstehen und vor allem so umzusetzen, dass ein Serienbau möglich ist.
Noch einen d’rauf setzt die Entwicklung der Aktiv-Systeme. Das könnt ihr am Beispiel der Versuche rund um die Vollaktivierung lesen. Nicht nur wegen der Entwicklung und Abstimmung der elektrischen Komponenten und der mechanischen Probleme, sondern auch wegen der sicherheitsrelevanten Zertifizierungen vergeht eine Menge Zeit. Da diese Zertifizierungen nicht von der Caritas erfolgen, fallen auch dort Kosten an.
Bei allen Neuentwicklungen muss aber auch der Kostenfaktor im Hinterkopf bleiben. Natürlich würde Daniel am liebsten aus JEDEM PIEGA-LS ein technisches Meisterwerk im kompromisslosen Aufbau entwickeln. Aber die ganzen strategischen Überlegungen, zu denen auch der Kostenfaktor gehört, müssen Neuentwicklungen in irgendeiner Form reglementieren - sei es in Größe, Bestückung, Entwicklungszeit oder Preis.
Nächste Aufgabe: Wie kann ein neuer LS im vorhandenen Portfolio platziert werden? Bleiben wir dazu beim Beispiel der frei erfundenen und imaginären Coax 411. Was dürfte sie an der Ladenkasse kosten? Besteht die Gefahr, dass dafür die 311 oder 511 vom Kunden nicht mehr beachtet wird? Das waren auch beim Versuch „MasterMonitor“ die Überlegungen. Ein System, was bis heute tief in meinen Ohren eingebrannt ist. Aber es hätte nicht so viele Kunden gegeben, die für einen „Kompakt-LS“ sehr deutlich über 20k€ gezahlt hätten. Daher wäre eine Entwicklung bis zur Serienreife nie zu verantworten gewesen. Und als Imageträger – was ja einige Firmen machen – hat PIEGA den MLS. Was hätte der MasterMonitor auch für Auswirkungen auf die anderen Top-Produkte gehabt, wie damals die 120.2 und 90.2? Um all diese strategischen Fragen zu klären, finden deshalb auch immer wieder Gespräche mit Händlern und Vertrieben statt. Aber auch der Blick zur Konkurrenz oder den sozialen Medien ist wichtig, um zu erkennen, was die Kundschaft will und wohin die LS-Entwicklung insgesamt steuert.
Über alles gesehen ist ein neues Lautsprechermodell oder gar eine neue Produktlinie nichts, was mal „so nebenbei“ entsteht. Je nach Größe und Aufwand können von der ersten Idee bis zum Serienstart 2 – 4 Jahre ins Land gehen.
Bei der Entwicklung muss unterschieden werden, ob es ein einzelnes LS-Modell oder eine ganze Produktreihe werden soll, wie z. B. die Coax-Serie.
Nehmen wir nur mal an, PIEGA überlegt sich, ein weiteres Coax-Modell zu bauen. Es ist wirklich nur eine Annahme, lediglich ein Beispiel. Es gibt diese Überlegung nicht, sie würde auch keine Aussicht auf Umsetzung haben.
Angenommen, es soll ein Modell zwischen der 311 und der 511 entstehen. Hier bietet es sich an, ins Regal zu greifen. Das Strangpressprofil und die Chassis sind vorhanden. Weiter angenommen, es soll ein Standmodell mit einem angetriebenen Chassis und einer passiven Membran werden. Der grobe Überschlag ergibt, dass die bisherigen Tieftonchassis auch als Solisten in einem passenden Volumen eingesetzt werden können. Das sind schon mal nahezu ideale Voraussetzungen.
Der nächste Schritt ist die Planung und Simulation am CAD. In der heutigen Zeit kann dadurch ein System entwickelt werden, was schon richtig gut funktioniert. Überprüft wird das an einem Holzprototyp, der in der hauseigenen „Bastelecke“ entsteht. Wenn Theorie und Prototyp so in etwa im Einklang sind, wird über die Details nachgedacht, wie z. B. die Fräsarbeiten für die Alu-Schallwand.
Dazu stellt der Fräser einen Prototypen her, dieser wird kritisch geprüft, evtl. muss nachgebessert und wieder geprüft werden. Zum Schluss erfolgt dann noch der Aufbau eines seriennahen Alu-Prototyps, um der Weichenabstimmung den letzten Feinschliff zu verpassen. Auch diese wird letztlich bei einem Zulieferer gebaut, der ein paar Muster zur Prüfung schickt. Und dann kann es mit dem Serienbau endlich losgehen.
Wesentlich aufwändiger ist die Entwicklung einer neuen Baureihe inkl. eines neuen Alu-Gehäuses. Hier muss der Strangpressprofil-Hersteller stärker eingebunden werden. Da aber die „kleine PIEGA“ bei den riesigen Alu-Profil-Herstellern nicht ganz so priorisiert wird wie Airbus oder die Autoindustrie, kann da etwas Zeit ins Land gehen. Mittlerweile werden weltweit in absoluter Spitzenqualität auch größere Strangpressprofile (Umschlingungsmaß) hergestellt. Leider kommen dadurch für die Baumuster auch entsprechende Transportzeiten hinzu. Für jedes neues Gehäuseprofil muss ein neues Presswerkzeug (das „Förmchen“ für das Profil) entwickelt und gebaut werden. Gerade diese Strangpress-Entwicklung dauert eine ganze Weile. Übrigens, das Presswerkzeug, also dieses „Negativförmchen“ für das Profil, schlägt mit einem 6-stelligen Betrag zu Buche! Es kann vorkommen, dass die ersten Pressvorgänge zeigen, dass nachgebessert werden muss, was ein neues Presswerkzeug erfordert. Dann muss die Fräsarbeit und letztlich das Oberflächenfinish in Auftrag gegeben werden. Auch hier wiederholt sich das Spielchen: Prototyp, Kontrolle, nachbessern …
Kleine Anekdote: Die fehlgeschlagenen Muster zum Oberflächenfinish der Schallwand beim MLS2 waren sehr zahlreich, weil PIEGA immer wieder Qualitätsmängel feststellte, die bei der Kaufsumme des Endproduktes völlig inakzeptabel waren.
Wenn’s doof läuft, schmeißt ein Zulieferer das Handtuch und ein neuer muss gesucht werden. Es vergeht dann oft sehr viel Zeit, bis solch eine Entwicklung abgeschlossen ist.
Eventuell werden neue Chassis benötigt. Zwar kommen die PIEGA-Folien aus eigenem Hause, aber die Basschassis werden speziell nach PIEGA-Vorgaben konstruiert und gebaut. Am Holzprototyp wird die Grundabstimmung vorgenommen. Evtl. muss am Tieftonchassis noch einmal Hand angelegt werden, bis Kurt, Daniel und Dominik zufrieden sind.
Sind alle Gehäuse-, Chassis-, Weichen und sonstige Bauelemente da (z. B. die TIM-Module), wird der LS aufgebaut. Unter Umständen wird bei dem Aufbau festgestellt, dass der handwerkliche Zusammenbau durch ein kleines Detail erschwert wird. Dann geht das Spiel mit dem Alu-Bau von vorne los.
So war es z. B. bei der aktuellen Premium-Baureihe. Eigentlich war angedacht, ein „abgespecktes TIM-Prinzip“ (die Spannschrauben der Coax-Baureihe) einzusetzen. Aber alle Versuche scheiterten, ein preisgünstigeres System im prozesssicheren Serienbau zu verwirklichen. Deshalb wurde umgedacht und die MDF-Matrix gebaut. Dabei handelt es sich um eine Art Holzskelett, um das Gehäuse von innen zu versteifen.
Die Gehäuseentwicklung, die Optimierung der Prozesssicherheit und die Qualitätssicherung mit äußerst geringen Fertigungstoleranzen im Serienbau bilden ein zeitraubendes und preistreibendes Element. Die Entwicklung eines neuen Gehäuses kann daher 2 Jahre und länger dauern. Allerdings gilt der Aspekt der prozesssicheren Fertigung mit extrem geringen Toleranzen nicht nur für das Gehäuse.
Noch viel wichtiger ist diese Vorgabe bei den Chassis. Beim Gehäuse wirken sich Fertigungstoleranzen vielleicht nur auf die Optik aus, beim Chassis wirkt sich das aber auf den Klang aus. Nur mal so zur Größenbestimmung: Die aktuellen Koax-Chassis haben eine Toleranz von nahezu 0. Vorteil: Es muss nicht paarweise selektiert werden, was am Ende das Produkt teurer macht und bei einem evtl. Chassis-Tausch erhält der Kunde eine ideale „Kopie“.
Die elektrische Entwicklung eines neuen passiven LS oder einer ganzen Baureihe ist gar nicht so sehr das Problem. Die CAD-Systeme mit ihren Simulationsmöglichkeiten liefern in der heutigen Zeit schon sehr beachtliche Ergebnisse. Damit können Systeme entwickelt werden, die auch ohne gehörmäßige Feinabstimmung ordentlich funktionieren und sogar tolle Messwerte aufweisen können. Insbesondere bei einer eher „kostenoptimierten“ Entwicklung wird das auch recht häufig gemacht.
Was an der Stelle aber häufig nicht beachtet oder stark unterschätzt wird, ist die klangliche Feinabstimmung mit den Ohren bei einer Neuentwicklung. Wie erwähnt, können in der heutigen Zeit mittels CAD Lautsprecher entwickelt werden. Daniel, der schon seit längerer Zeit bei PIEGA für die Feinabstimmung verantwortlich ist, wäre mit dieser Vorgehensweise aber nicht zufrieden zu stellen. Zwar basieren auch „Daniels Schöpfungen“ auf Computerberechnungen, aber es steckt jede Menge Aufwand in der gehörmäßigen Feinabstimmung d’rin. Das absolut Kuriose ist dabei, dass minimalste Veränderungen am berechneten Amplitudengang große Auswirkungen am Gesamteindruck des LS haben können. Obwohl sich der berechnete und der gewollt veränderte Amplitudengang FAST gleichen, ergeben die Differenzen den Unterschied von einem „na ja“ zu einem „ge…l“. Da sich aber in der Entwicklungsphase viel am LS verändert (vom ersten Holzprototyp bis zum Serienprodukt), wird immer wieder gehört, verglichen, verändert und gemessen. Selbstredend finden regelmäßig Querchecks zu bisherigen Modellen statt und selbst bei der Konkurrenz wird mal hingehört.
Um das Feintuning zu vereinfachen, liegen die Bauteile der Frequenzweichen fliegend verdrahtet auf einem Brettchen außerhalb der Box. Damit möglichst schnell Veränderungen vorgenommen werden können, sind die einzelnen Weichenbauteile oftmals nur mit Krokodilklemmen miteinander verbunden. Erst wenn am seriennahen Prototyp alle zufrieden nicken, ergeht der Bauauftrag der Weiche an den hochspezialisierten Hersteller.
Hier im Beispiel das Endprodukt einer "Experimentier-Weiche". Der nächste Schritt wäre der Auftarg an den Weichenbauer.
Wie hoch der Anteil an „Ohrenabstimmung“ und Computerberechnung ist, lässt sich nicht exakt angeben. Eine Faustregel geht von „75% Computer“ und „25% Gehör“ aus, was aber je nach Modell schwankt. Aber gerade diese „25% Gehör“ sind extrem zeitintensiv und werden hausintern immer wieder geprüft, hinterfragt und diskutiert.
Richtig kompliziert wird es, wenn Neuland betreten wird, wie „damals“ mit dem MasterOne oder gar dem MLS. Hier konnte PIEGA nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Das beinhaltete automatisch, dass viele Ideen nicht wie angedacht funktionierten, wieder verworfen und neu erdacht wurden. Kurt und Daniel mussten lernen, die unterschiedlichen Wechselwirkungen und Auswirkungen der Systeme in vielen Messungen und Versuchen zu verstehen und vor allem so umzusetzen, dass ein Serienbau möglich ist.
Noch einen d’rauf setzt die Entwicklung der Aktiv-Systeme. Das könnt ihr am Beispiel der Versuche rund um die Vollaktivierung lesen. Nicht nur wegen der Entwicklung und Abstimmung der elektrischen Komponenten und der mechanischen Probleme, sondern auch wegen der sicherheitsrelevanten Zertifizierungen vergeht eine Menge Zeit. Da diese Zertifizierungen nicht von der Caritas erfolgen, fallen auch dort Kosten an.
Bei allen Neuentwicklungen muss aber auch der Kostenfaktor im Hinterkopf bleiben. Natürlich würde Daniel am liebsten aus JEDEM PIEGA-LS ein technisches Meisterwerk im kompromisslosen Aufbau entwickeln. Aber die ganzen strategischen Überlegungen, zu denen auch der Kostenfaktor gehört, müssen Neuentwicklungen in irgendeiner Form reglementieren - sei es in Größe, Bestückung, Entwicklungszeit oder Preis.
Nächste Aufgabe: Wie kann ein neuer LS im vorhandenen Portfolio platziert werden? Bleiben wir dazu beim Beispiel der frei erfundenen und imaginären Coax 411. Was dürfte sie an der Ladenkasse kosten? Besteht die Gefahr, dass dafür die 311 oder 511 vom Kunden nicht mehr beachtet wird? Das waren auch beim Versuch „MasterMonitor“ die Überlegungen. Ein System, was bis heute tief in meinen Ohren eingebrannt ist. Aber es hätte nicht so viele Kunden gegeben, die für einen „Kompakt-LS“ sehr deutlich über 20k€ gezahlt hätten. Daher wäre eine Entwicklung bis zur Serienreife nie zu verantworten gewesen. Und als Imageträger – was ja einige Firmen machen – hat PIEGA den MLS. Was hätte der MasterMonitor auch für Auswirkungen auf die anderen Top-Produkte gehabt, wie damals die 120.2 und 90.2? Um all diese strategischen Fragen zu klären, finden deshalb auch immer wieder Gespräche mit Händlern und Vertrieben statt. Aber auch der Blick zur Konkurrenz oder den sozialen Medien ist wichtig, um zu erkennen, was die Kundschaft will und wohin die LS-Entwicklung insgesamt steuert.
Über alles gesehen ist ein neues Lautsprechermodell oder gar eine neue Produktlinie nichts, was mal „so nebenbei“ entsteht. Je nach Größe und Aufwand können von der ersten Idee bis zum Serienstart 2 – 4 Jahre ins Land gehen.
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