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Die Möglichkeiten der Aktiv-Technologie/DSP

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    Die Möglichkeiten der Aktiv-Technologie/DSP

    An anderer Stelle im Forum kam die Frage auf, welchen Mehrwert eine "Nur-Vollaktivierung" hätte, wenn man nicht die Möglichkeiten der modernen Audiotechnik nutzt. Und so nutzt natürlich auch PIEGA die Möglichkeiten der modernen Digitalen-Signal-Prozessoren.

    In der Entwicklungshistorie rund um den Coax 311-Prototypen konntet ihr schon lesen, wo PIEGA in ihren Produkten durch die Vollaktivierung die meisten Vorteile sieht. Insbesondere kleine LS (kleines Gehäuse/kleiner Tieftöner) können von der modernen Technik profitieren. Die Stammleute im Forum kennen die Zusammenhänge zwischen Gehäusegröße, Membranhub/-fläche, untere Grenzfrequenz und Pegel. Mit der komplexen DSP-Technik können diese mechanischen Grenzen nicht ausgehebelt werden, aber man kann diese Grenzen "praxisorientiert verschieben".

    Das untere Ende des Übertragungsbereiches eines LS wird durch die Fähigkeiten des Chassis in Kombination mit dem Gehäuse begrenzt. Die ganzen Einzelparameter des Gehäuses und des Chassis ergeben z. B., wie steil oder sanft der LS am unteren Ende des Übertragungsbereiches abfällt. Mit der passiven LS-Technik stößt man bei der Einflussnahme an Grenzen bzw. kommt schnell in Wechselwirkungen mit zu großen Kompromisslösungen. Die moderne DSP-Technik lässt an dieser Stelle dem Konstrukteur größere Freiheiten.

    Aber neben dieser Verschiebung im unteren Grenzbereich kann auch eine sinnvolle Loudness-Charakteristik angedacht werden. Dazu müssen wir uns im Urschleim unserer eigenen Evolution bewegen. Viele HighEnder denken, dass das Gehör erst mit unserer eigenen Geburt entstand und darauf konditioniert ist, Klangunterschiede in Gerätesicherungen zu erkennen. Die Wahrheit ist aber sehr grausam

    Unser Gehör entwickelte seine Fähigkeiten in mehreren 100.000 Jahren und ist davon in der meisten Zeit damit beschäftigt gewesen, unser Überleben zu sichern. Es entwickelte die clevere Fähigkeit, sich abhängig vom Pegel so anzupassen, dass bei leiser Umgebung die mittleren Frequenzbereiche "verstärkt" werden, während die tiefen und hohen Töne unempfindlicher registriert werden. Das hängt mit unserem "Einkaufsverhalten als Höhlenbewohner" zusammen. Denn im mittleren Frequenzbereich liegt der Bereich des Ästeknackens, Blätterrauschen usw. Diese Sensibilisierung konnte ausmachen, ob wir Frühstück in die Höhle brachten oder der Säbelzahntiger uns zum Frühstück verspeiste.

    In der HiFi-Welt ist der linealglatte Amplitudengang das Ideal, aber nicht für das Gehör. Denn auf Grund seiner Funktionsweise hören wir bei leiser Wiedergabe verstärkt den mittleren Bereich. Je lauter wir hören, desto linearer arbeitet auch unser Gehör. So UNGEFÄHR bei 80 – 85 dB hören wir dann HALBWEGS linear. Wer mehr zu dieser sehr komplexen Thematik wissen möchte, kann mit den Suchbegriffen "Fletcher-Munson-Kurve" oder "gehörrichtige Lautstärke" im Internet viele Infos finden.

    Um die Eigenschaft des Gehörs auszugleichen, erfanden clevere Köpfe vor vielen Jahren den "Loudness-Knopf" am Verstärker, der Bässe und Höhen etwas anhob. Damals war der natürlich "sehr starr" in seiner Auslegung und geriet deswegen schnell in Verruf. Da die damalige Technik bei der Anhebung der Bässe und Höhen diese Korrektur nicht lautstärkeabhängig regeln konnte, war es bei leiser Wiedergabe sehr ordentlich. Aber je lauter es wurde, desto verbogener klang der Lautsprecher. Im Laufe der Jahre wuchs weiterhin die Erkenntnis, dass eine einfache Anhebung von Bässen und Höhen auch nicht zielführend ist. Daraus entwickelte sich dann die Abneigung gegenüber einer Loudness-Korrektur, die wohl bis heute in den Köpfen manifestiert ist.

    Mit der heutigen DSP-Technik geht da viel mehr. So kann diese Loudness-Charakteristik in Abhängigkeit mit dem Pegel geregelt werden. Bei leiser Wiedergabe werden insbesondere die Bässe und eher zart bis sehr wenig die Höhen angehoben. Je lauter es wird, desto linearer wird der Amplitudengang.


    Selbstverständlich können die Loudness-Korrektur und die Schutzmechanismen (bei extrem hohem Pegel) auch kombiniert werden. Und genau diese Kombination setzt PIEGA in der Premium-Baureihe ein und nennt es "dynamische Loudness". Da die ganzen Vorgaben für die 301, 501 und 701 unterschiedlich sind, wurde selbstverständlich für jedes Modell eine eigene Loudness-Charakteristik abgestimmt.

    Neben der Loudness-Charakteristik kann aber auch der Bassbereich sinnvoll korrigiert werden. Wie schon angesprochen, profitieren insbesondere kleinere LS von diesen Möglichkeiten. Bei ihnen kann die untere Grenzfrequenz nach unten verschoben werden, indem in diesem Frequenzbereich der Pegel wunschgemäß angehoben wird und evtl. auch die Charakteristik angepasst werden kann. Der Konstrukteur kann festlegen, ob er den LS eher sanft oder steilflankig am unteren Ende der Übertragung abfallen lassen möchte. Er ist somit im Bereich der unteren Grenzfrequenz nicht mehr ganz so dem Diktat zwischen Gehäusevorgaben und Chassis-Eigenschaften ausgesetzt.

    Das ist doch toll. Wir können den Bassbereich aufpeppen und gleichzeitig eine sinnvolle Loudness-Kurve implementieren. Jetzt kommt allerdings das große "aber" ...

    Tiefe UND laute Töne erfordern einen großen Membranhub. Dieser ist aber durch die mechanischen Grenzen der Schwingspule, der Sicke und Zentrierung begrenzt. Die Chassis-Technik ist bereits an den Grenzen der technischen Möglichkeiten, so dass eine Überschreitung der Grenzen auch Bruch bedeuten könnte. Insbesondere die Sicke und ihre Verklebung mit dem Korb müssen extreme Belastungen aushalten. Der Einsatz mit dem DSP, damit auch kleine Lautsprecher sehr tief gehen können, funktioniert deshalb nur bis zu einem gewissen Pegel. Je lauter es wird, desto weniger darf der Bassbereich aufgepeppt werden, um die Mechanik nicht zu überfordern.

    DSP bietet weiterhin die Möglichkeit, dass ein "kleiner" LS sehr laut kann. Viel lauter, als man es von einem "Winzling" erwartet. Der Trick: Der Bass wird mit steigendem Gesamtpegel abgesenkt. Er kann im Tiefgang beschnitten werden und/oder er wird im Tiefbasspegel reduziert. Beide Maßnahmen führen wieder zu einer Reduzierung des Membranhubes. Ergebnis: sehr laut, aber weniger Tiefbass.


    Aber der DSP ist nicht nur ein cleverer Schutzmechanismus und Amplitudengang-Anpasser, er ersetzt auch die passive Frequenzweiche. Und so ergab sich auch ein großes Experimentierfeld, mit welcher Filtercharakteristik in der vollaktiven Variante die besten Ergebnisse erreicht werden. In vielen Diskussionen wird ja geschwärmt von extrem steilflankigen Filtern an den Übergängen der Frequenzbereiche. Die Theorie besagt, dass die Chassis dadurch weniger belastet werden, aber auch, dass die Gruppenlaufzeiten verbessert werden und auch der Klirr niedriger liegt. PIEGA hat natürlich entsprechende Versuche gemacht und sehr oft stimmten Theorie und Messwerte auch überein, aber der Klang blieb auf der Strecke. Das zeigte sich unter anderem in der berühmt-berüchtigten Homogenität eines LS. Kurt umschrieb es so, dass der LS je nach Filterauslegung "nach Mehrweger klang". Die einzelnen Chassis waren bei extremen Filterauslegungen eher zu unterscheiden, als bei eher "vorsichtiger" Flankensteilheit. Wo hat man dann den Vorteil? Auf der einen Seite tolle Messwerte, auf der anderen Seite weniger Homogenität. Blöd ist, dass "Homogenität" nicht in einem Messwert erfasst werden kann. Am Ende sind auch bei der Aktiv-Weiche sämtliche Parameter in die Kompromisse eingebunden, die sich aus dem Gehäuseaufbau, der Gehäusegröße, der Chassisbestückung usw. usw. ergeben. In der jetzigen Premium-Wireless-Baureihe werden in der Regel Linkwitz-Riley-Filter mit zweiter bis sechster Ordnung eingesetzt.

    Aber hier gilt, dass diese Erfahrungen nicht pauschal auf andere Modellreihen oder gar andere Hersteller anzuwenden sind.

    Die Schwierigkeit für Kurt, Daniel und Dominik liegt nun darin, je nach Modell eine passende Korrekturkurve zu finden, die alle Erfordernisse abdeckt. Dazu gehören

    Loudness-Anpassung
    Bass-Korrekturen mit Überwachung des Membranhubes
    Schutzfunktionen bei sehr hohem Pegel
    Parameter für die Weichenfunktion

    Allerhöchste Priorität hat dabei die möglichst neutrale Reproduktion der Musik. Deswegen muss bei der Abstimmung der gesamte Amplitudengang beachtet werden, so dass ein ausgewogenes, realistisches und homogenes Klangbild entsteht. Es bringt also nichts, sich nur um den Tiefbass zu kümmern, auch die mittleren und hohen Lagen müssen in die Korrekturen und Abstimmung einbezogen werden.







    Norbert,
    der NUR den eigenen Ohren vertraut
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