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Der Amplitudengang - wie ist er zu deuten

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    Der Amplitudengang - wie ist er zu deuten

    Ein HiFi-LS sollte einen relativ großen Frequenzumfang des menschlichen Hörspektrums darstellen können. Die meisten können sogar einen größeren Bereich abdecken, als unser Ohr wahrnehmen kann. Damit aber der Lautsprecher als tonal ausgewogen - also neutral - eingestuft wird, sollten alle abgestrahlten Frequenzen gleichlaut sein.

    Ein Hersteller gibt zum Beispiel an: "30 - 20.000 Hz, bei +/- 3 dB". Das bedeutet, dass in dem Frequenzbereich der Pegel innerhalb des angegebenen Wertes schwankt. Leider können wir anhand dieses Wertes nicht sagen, wie der LS insgesamt gesehen "klingt". Denn neben vielen anderen Messwerten spielt auch die "Pegelverteilung" eine ganz wesentliche Rolle. Also "wo" und in welchem "Umfang" sind diese Abweichungen?

    Daher ist es günstiger, wenn der Amplitudengang (=Frequenzgang) in einem Diagramm dargestellt wird. In den meisten Fällen wird dazu mit einem Messmikrofon auf Höhe des Hochtöners in 1 Meter Abstand der LS gemessen. Die modernen Messeinrichtungen korrigieren dabei auch noch die Beeinflussungen des Raumes, so dass es heute nicht mehr erforderlich ist, in schalltoten Räumen zu messen.

    Zu den folgenden Skizzen: Es sind freie Handskizzen, die einfach nur den nachfolgenden Text verdeutlichen sollen. Sie haben natürlich nichts mit Messungen von PIEGA oder anderen Herstellern zu tun.

    Im Bild 1 sehen wir den theoretisch idealen Frequenzgang eines LS. Alle Frequenzen werden gleichlaut abgestrahlt.
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ID: 33488


    Bild 2 zeigt eine typische Bassanhebung, wie sie bei vielen LS zu finden ist - vor allem bei kleinen Speakern. Auf Grund der physikalischen Zusammenhänge können sehr tiefe Frequenzen durch kleine LS nicht mehr laut reproduziert werden. Daher nutzen die Entwickler einen kleinen hörpsychologischen Trick und machen den oberen Bass etwas lauter. Dadurch erscheint ein kleiner LS "voluminöser".
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ID: 28308


    Die gleiche Kurvencharakteristik bei einem ausgewachsenen großen Standlautsprecher kann zum "Bassbummser" führen. Wir müssen bei der Deutung der Kurve unbedingt beachten, wie tief der LS reicht (untere Grenzfrequenz). Tendenziell: Je tiefer der LS "geht", desto flacher sollte die Kurve verlaufen.

    Nicht nur das, es macht einen großen Unterschied, wie die Kurve am "unteren Ende" abfällt. Ein früh einsetzender, aber flach abfallender und tiefer Bass führt bei einer sehr großen Standbox zu einem ganz anderen Hörerlebnis, als eine fast so tief reichende, aber am Ende steil abfallende Kurve eines kleineren Speakers. Als "Dreingabe" ist unser Ohr bei der Bassbeurteilung recht "unsensibel". Daher sind gerade die Kurven im Bass sehr schwierig zu deuten.

    Etwas einfacher wird's im "mittleren" Bereich. Also eigentlich eher im Bereich so ungefähr und pi mal Daumen zwischen 400 - 2000 Hz. Da "tummeln" sich viele Instrumente mit ihrem Grundton sowie die menschliche Stimme. Außerdem ist unser Ohr in dem Bereich recht sensibel. Und unser Ohr "macht" noch etwas: Es reagiert auf sehr schmalbandige Einbrüche ganz anders, als auf breitbandige Erhöhungen. Das hängt mit der Funktionsweise der sog. Basilarmembran zusammen.

    In Bild 3 hebt sich die rote Kurve in dem Bereich nur leicht jedoch breitbandig an, kann aber dadurch zu einem sehr "prägnanten und deutlichen" Mittelton führen. Dort können bereits Veränderungen von 2 dB LS völlig unterschiedlich klingen lassen. Der kleine "Kratzer" in der grünen (linearen Kurve) macht sich dagegen (so gut wie) nicht bemerkbar.
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ID: 28309


    Ab wann der "Kratzer" oder die Anhebung erst oder gar deutlich wahrgenommen wird, hängt natürlich auch von einzelnen Ausprägungen, den Hörgewohnheiten und -erfahrungen ab. Aber vor allem mit der (breitbandigen) Anhebung kann der Konstrukteur von ganz zarter Betonung bis zum kräftigen Sounding beeinflussen.

    "Kratzer" haben meistens andere Ursachen als eine gewollte Abstimmung, z. B. durch Interferenzen, Kantenreflexionen oder Aufbrechen der Membranen.

    Im Prinzip gilt die bisherige Betrachtung vom Mitteltonbereich auch für den Hochtonbereich. Und somit kann der Konstrukteur mit einer Höhenanhebung ein "frisches, helles" Klangbild erzeugen. Insbesondere in der Beurteilung der Höhenwiedergabe können aber auch Verzerrungen bzw. deren Bedämpfung eine Rolle spielen, die ihren Ursprung im Hochtonchassis haben. Obwohl ein LS einen vielleicht sehr glatten Frequenzgang hat, kann er auf Dauer nerven, aggressiv klingen oder aber sogar eher "zurückhaltend" wirken. Die Zusammenhänge sind recht komplex. Hier einmal ein Versuch, zumindest einen Teilaspekt oberflächlich zu beleuchten.

    Weiterhin sehr wichtig beim Hochton ist das sogenannte Bündelungsverhalten. In Abhängigkeit zwischen Membrangröße und Frequenz fängt ein Chassis mehr oder weniger stark zu bündeln an. In der Folge kommt es häufig zu kräftigen Abfällen im Hochtonpegel, wenn der LS außerhalb der Achse (also eher seitlich) gehört/gemessen wird. Daher gibt es mal mehr oder weniger starke Unterschiede, wenn ein LS auf den Hörplatz "eingedreht" wird oder nicht.

    Ein Klassiker ist eine "integrierte Hörkorrektur". Im Bild 4 seht ihr eine typische Kurve dieser Gattung.
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ID: 28310

    Wir erkennen, dass es hier eine deutliche Parallele zur Loudness-Taste älterer Verstärker gibt. Der Grundgedanke dabei ist nicht einmal verkehrt. Unser Ohr arbeitet alles andere als linear und das ist sogar noch davon abhängig, wie laut das Signal ist. In aller Kürze: Je leiser es wird, desto mehr "konzentriert" sich das Gehör auf die Wahrnehmung des mittleren Bereiches. Bass und Höhen werden weniger empfindlich aufgenommen (Suchtipp: Fletcher-Munson-Kurve). Durch Anhebung der Bässe und Höhen kann der LS-Konstrukteur dem entgegensteuern, zumindest bei leiser Wiedergabe. Was bei leiser Wiedergabe "schön" sein kann, wird dann aber bei höheren Pegeln gefährlich, da der Bass und die Höhen zu "kräftig" sind.

    Wir können festhalten, dass linealglatte Frequenzschriebe zwar von technischer Perfektion zeugen, aber nicht immer sinnvoll sind. Denn als Endanwender kämpfen wir zusätzlich mit einem "Gesamtpaket" aus

    den technischen Fähigkeiten des Lautsprechers,
    der Aufstellung und
    den Raumeinflüssen,

    die gemeinsam für zum Teil dramatische Abweichungen des ursprünglichen Messschriebes unter "Laborbedingungen" führen. Daher auch immer wieder der Hinweis, dass "Lautsprecher - Raum - Aufstellung" DIE klangbestimmenden Elemente in unserer Wiedergabekette sind.

    Ein Lautsprecher, der vielleicht "labortechnisch" im Bass etwas zurückhaltend ist, kann unter beengten Raumverhältnissen in Wandnähe "punktgenau" aufspielen. Auf der anderen Seite kann in einer stark bedämpften Umgebung (dicke Vorhänge, viele Teppiche, große Polstermöbel usw.) eine Höhenanhebung des Lautsprechers von Vorteil sein. Daher kann ein Messschrieb des Amplitudenganges für die Auswahl des Lautsprechers im Heimbereich eher ein ungefährer Anhaltspunkt sein. Für den Techniker ist er wesentlich wichtiger.

    Und zum Schluss: Ein bestimmter "Sound" kann auch gefallen, obwohl er vielleicht nicht 100 % "richtig" ist. Hinzu kommen tatsächlich Modeströmungen in der Abstimmung. Auf Dauer gesehen wird man aber mit einem (halbwegs) neutralen System glücklicher werden.


    Meinen Dank an Kurt für seinen fachlichen Beistand.
    Zuletzt geändert von nk; 27.11.2014, 11:27. Grund: Bilder in den Textbeitrag eingebunden, inhaltlich wurde nichts verändert
    Norbert,
    der NUR den eigenen Ohren vertraut

    #2
    Danke für den kleinen Exkurs, Norbert.

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