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Die Frequenzweiche

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    Die Frequenzweiche

    Schauen wir einmal auf ein Bauteil, was für gewöhnlich im Inneren der Box verbaut ist: Die Frequenzweiche.

    Warum überhaupt diese Baugruppe? Im Normalfall kann ein einzelnes LS-Chassis das gesamte Tonspektrum nicht in HighEnd-Qualität übertragen. Das liegt daran, dass an ein Bass- und an ein Hochton-Chassis einfach zu unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Deshalb wird der gesamte Frequenzumfang einer LS-Box auf mehrere Frequenzbereiche aufgeteilt. Im HiFi-Bereich sind das meistens 2-Wege- bis 4-Wege-Boxen. Dabei gibt es keine festgelegten "Trennbereiche". Mehrwege-Boxen verschiedener Hersteller, ja sogar von einem Hersteller, können unterschiedliche Trennbereiche aufweisen.

    Die Anzahl der verwendeten Chassis lässt keinen Schluss zu, wie viele "Wege" eine LS-Box hat, da oftmals für einen Frequenzbereich mehrere Chassis eingesetzt werden. Insbesondere im Bassbereich werden sehr oft zwei Chassis parallel betrieben.

    Die Trennfrequenzen und sonstigen Beeinflussungen innerhalb der Weiche richten sich nach verschiedenen Parametern der einzelnen LS-Chassis (den sogenannten Thiele-Small-Parametern) und weiteren konstruktiven Vorgaben, wie z. B. Bassreflex, geschlossen usw. oder auch für spezielle Aufstellungen, z. B. direkte Wandmontage. Sogar "sounding" spielt bei der Konstruktion der Frequenzweiche eine Rolle.

    Die wichtigsten Bauteile einer Frequenzweiche sind Spule und Kondensator. Beide Bauteile weisen ein komplett gegenteiliges "Verhaltensmuster" auf. Je höher die Frequenz des "durchfließenden" Stromes, desto höher wird der Widerstand der Spule. Das heißt also, dass die Spule die hohen Frequenzen dämpft. Der Kondensator macht es exakt umgekehrt, er dämpft die niedrigen und lässt nur die höheren Frequenzen passieren. Aus der Kombination beider Bauteile lassen sich somit die zu übertragenen Frequenzbereiche abstimmen.

    Im Prinzip ist eine Frequenzweiche eine Kombination aus Tief-, Hoch- und Bandpassfilter.

    Dabei spielt natürlich die Dimensionierung der Bauteile eine entscheidende Rolle, so dass mit verschiedenen Werten dieser Bauteile auch verschiedene Frequenzbereiche realisiert werden können.

    Gelegentlich liest man "Weiche 2. Ordnung" oder so ähnlich. Ist das "zweite Wahl" mit billigeren Bauteilen? Natürlich nicht.

    Im einfachsten Fall einer 2-Wege-Box genügen zwei Bauteile in der Weiche: eine Spule und ein Kondensator. Mit dieser relativ einfachen Schaltung hat man einen Filter 1. Ordnung, was gleichbedeutend ist mit einer Flankensteilheit (am "Übergang" des jeweiligen Frequenzbandes) von 6 dB/Oktave. In dieser Variante werden die "Übergänge" zwischen den einzelnen Chassis recht "sanft" gestaltet, die Chassis müssen also über einen sehr großen Bereich "zusammenarbeiten".

    Durch spezielle Zusammenschaltung von 2 Kondensatoren und 2 Spulen in unserer 2-Wege-Box erzielen wir eine Weiche 2. Ordnung = 12 dB/Oktave Flankensteilheit. Wir setzen noch ein Bauteil in jeden Zweig und haben eine Weiche 3. Ordnung = 18 dB/Oktave usw., usw.

    Dummerweise muss der Konstrukteur auch hier wieder einmal Kompromisse eingehen. Bei höherer Ordnung wachsen die unvermeidlichen Phasenverschiebungen durch die Bauteile innerhalb der Weiche, dafür werden die Chassis weniger belastet, was wiederum geringere Verzerrungen bedeutet. Bei "kleinerer" Ordnung ist es umgedreht.

    Die Koaxe von PIEGA besitzen z. B. Filter 4. Ordnung = 24 dB/Oktave Flankensteilheit, was für die verwendeten Chassis den besten Kompromiss darstellt.

    Was versteht man in dem Zusammenhang unter Phasendrehung oder Belastung des LS-Chassis?

    Grundsätzlich ist es so, dass ein Kondensator oder eine Spule in der FW eine Phasenverschiebung verursacht, die sich in Kombinationen auch summiert. Bei der Spule vergeht ein klein wenig Zeit, bis die Induktion aufgebaut ist, wenn sie vom Strom durchflossen wird. Da wir mit Wechselstrom arbeiten, wird das Magnetfeld der Spule ständig auf- und abgebaut, was ein klein wenig Zeit erfordert. Vergleichbar ist das beim Kondensator, der seine Kapazität erst aufbauen muss. Aus "menschlichem Zeitgefühl" heraus geht das natürlich immer noch schnell, aber im Bereich der "Stromgeschwindigkeit" treten hier leichte Zeitverschiebungen = Phasenverschiebungen ein.

    Die höhere Belastung der einzelnen LS-Chassis einer "niedrigen Weichenordnung" resultiert aus der Tatsache, dass die einzelnen Chassis einen wesentlich größeren Frequenzbereich abdecken müssen, was eine mechanisch hohe Belastung bedeutet. Weiterhin steigt die Wärmeentwicklung und vor allem wachsen die Frequenzgangprobleme durch das Phasenverhalten der "lange" zusammen arbeitenden Chassis.

    Daraus kann sich die paradoxe Situation ergeben, dass zwar bei einer Weiche 1. Ordnung die Phasenfehler innerhalb der Weiche klein gehalten werden, dafür aber der Phasenfehler im Zusammenspiel zweier Chassis wächst (siehe unten).

    Neben der Auftrennung in die einzelnen Frequenzbereiche = Wege werden in der Regel innerhalb der Weiche auch noch Pegelanpassungen vorgenommen. Oftmals ist es so, dass ein Bass-Chassis und ein Hochton-Chassis einen unterschiedlichen Kennschalldruck (Wirkungsgrad) haben. Würde der Konstrukteur jetzt einfach "nur" den Frequenzbereich auftrennen, könnte z. B. der Hochtöner zu laut spielen, was natürlich im Rahmen einer linearen Wiedergabe nicht denkbar ist.

    Also muss innerhalb der Weiche der Pegel beider Chassis angeglichen werden. Das bedeutet, dass weitere Bauteile erforderlich werden.

    Daneben können noch Impedanzanpassungen, Sicherungen, Schalter zur Beeinflussung usw. eingebaut werden, so dass selbst eine Weiche 1. Ordnung unterm Strich mehr als die zwei wesentlichen Bauteile besitzen kann.

    Die Begriffe Butterworth-, Linkwitz- oder Bessel-Charakteristik geben nur bestimmte Filtereigenschaften an. Die Filter unterscheiden sich im Amplitudengang des Übergangbereiches, in der Sprungantwort, Wirkungsgrad, Belastbarkeit... Es sind also auch wieder Kompromisse, die im Detail auf das Gesamtkonstrukt abgestimmt sind. Daher lassen diese Begriffe für sich allein gesehen keine Rückschlüsse auf die Klangqualität der gesamten Box zu.

    Die Prospektangaben der Frequenzweiche sind also kein Qualitätsmerkmal. Alle Werte der Weiche sind die Ergebnisse aller klangrelevanten Einzelaspekte bis hin zur Gehäusebreite und ihrem Einfluss auf die Abstrahlcharakteristik.

    Die Berechnung der Weiche kann heute mit Simulationsprogrammen recht schnell durchgeführt werden. Aber am Ende einer sorgfältigen Abstimmung ist immer noch das Ohr des Entwicklers, der sich mit Feintuning an der Bauteiledimensionierung seinem Ideal nähert.


    Bisher galt die Betrachtung für die passive Frequenzweiche. Das heißt, dass die Weiche HINTER der Verstärker-Endstufe arbeitet.

    Die Aufgabenstellung ist bei einer aktiven Weiche identisch, nur, dass hier VOR der Verstärkerendstufe aufgetrennt wird. Zwangsläufig ergibt sich aus diesem Aufbau, dass mehrere Endstufen eingesetzt werden müssen, da wir ja jetzt für jeden Frequenzbereich = LS-Chassis eine Endstufe benötigen. Deshalb wird die Mehrzahl der aktiven Weichen in sogenannten Voll-Aktiv-LS eingesetzt. Technisch möglich sind auch Hybride, bei der z. B. der Bass aktiv getrennt ist, während der Hoch-Mittel-Ton passiv ausgelegt ist. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Subwoofer-Kombis, bei der die Subs als Hochpassfilter arbeiten.

    Der Reiz einer aktiven Weiche ist ihre nahezu "unbegrenzte" Fähigkeit in der Filterauslegung und Korrekturmöglichkeit. Dazu zählen z. B. Bassanhebungen, extrem steilflankige Filter usw. Aber auch, dass die aktive Weiche auf Rückwirkungen der Chassis nicht reagiert, keinen Wirkungsgradverlust beinhaltet sowie den Dämpfungsfaktor des Verstärkers nicht zusätzlich belastet, wird als Vorteil der aktiven Weiche angesehen.

    Auf der anderen Seite wird in einer aktiven Frequenzweiche mit sehr niedrigen Strömen gearbeitet, die ihrerseits auch wieder störanfällig sind. Oftmals ist auch der Rauschabstand ein Thema. Dieses Rauschen ist in der Elektronik ein "ganz normaler Zustand" und wird durch die Bauteile selbst verursacht (siehe unten). Je mehr Gimmicks und somit auch mehr Bauteile in der Weiche verwendet werden und je kleiner die Ströme sind, desto höher ist die Gefahr von Fehlern. Wir dürfen nicht vergessen, dass hinter der Weiche auch die Störfaktoren wie Rauschen oder Einstrahlungen durch die Endstufen verstärkt werden.

    Natürlich kommen bei einer aktiven Auslegung eine Vielzahl an Endstufen zum Einsatz, was einen höheren finanziellen Einsatz bedeutet.

    Auch bei den Aktiv-Weichen gibt es zwei Welten, nämlich die Analog- und die Digitaltechnik. Die Digitalweiche ist zwar in den Möglichkeiten ein wahrer Zauberkasten, enthält aber auch wieder einen Digital-Analog-Wandler, der für sich isoliert betrachtet schon ein komplexes Gebiet ist.

    Unterm Strich gilt auch hier - wie bei der Passivweiche: Das Gesamtkonzept entscheidet. Oder: Wie kommt die Musik letztlich am Ohr an.



    *Zeit- und Phasenverhalten:


    *Elektronikrauschen:



    Vielen Dank an Kurt für seine fachliche Kontrolle
    Zuletzt geändert von nk; 02.09.2012, 19:29.
    Norbert,
    der NUR den eigenen Ohren vertraut

    #2
    Zitat von nk Beitrag anzeigen
    Unterm Strich gilt auch hier - wie bei der Passivweiche: Das Gesamtkonzept entscheidet. Oder: Wie kommt die Musik letztlich am Ohr an
    Hallo Norbert,

    klasse Zusammenfassung!

    Als Techniker favorisiert man natürlich zunächst einmal moderne Schaltungstechniken, wie hier z.B. aktive DSP basierte LS-Weichen.
    Auf der anderen Seite weiß man aus Erfahrung, dass zusätzliche, auch komplexere Elektronik auch entsprechende Entwicklungs- u. Fertigungsqualitäten erfordert. Und somit den Gesamtpreis erhöhen.
    Häufig „kauft“ man sich auch noch konzeptbedingte, zusätzliche Störmechanismen (z.B. das von dir erwähnte Rauschen) ein, welche das Ergebnis zusätzlich negativ beeinflussen können.

    Somit stellt sich ganz automatisch die Frage nach dem zusätzlichen Nutzen


    Kurt hat dazu ( 2006) einmal folgendes geschrieben:

    Wir haben schon verschiedentlich in der Entwicklung „Passive“ aktiviert. Dazu verwenden wir zusätzlich ein digitales DSP zur Angleichung von Aktiv zu Passiv. Wenn also das Endergebnis identisch in Bezug auf Magnitude und Time ist, sind die „prinzipbedingten“ Unterschiede fast nicht auszumachen. Schon gar nicht kann von besser, oder schlechter gesprochen werden. Auf jeden Fall ist der dramatisch höhere Aufwand der aktiven Box in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Anders sieht es natürlich aus, wenn man die passive Version absichtlich „verschlechtert“.... aber Marketing ist ja nicht mein Ressort.....

    Das klangliche Ergebnis vor allem der Koax-LS zeigt eigentlich deutlich, dass auch „gut gemachte“ passive LS – Weichen immer noch ihre Berechtigung haben.

    Manfred

    Kommentar


      #3
      Ich greife mal das Zitat von Kurt auf:

      Zitat von manfbenz Beitrag anzeigen
      Auf jeden Fall ist der dramatisch höhere Aufwand der aktiven Box in keinem Verhältnis zum Ergebnis.

      Vor einigen Jahren hatte ein Berliner HiFi-Händler die Idee, einen englischen LS des Oberhauses im Nachgang zu aktiviern. Der Vertrieb zeigte sich erst recht unwillig, natürlich auch, weil es einen kräftigen Umbau des Systems bedeutete (passive Weiche überbrücken, ein zusätzliches Paar Terminals rein). Und wahrscheinlich war man sich über den Ausgang des Versuchs auch nicht soooo sicher. Am Ende stimmte der Vertrieb zu und begleitete das Experiment.

      Auf der Elektronikseite wurde nicht der geringste Zweifel daran gelassen, dass der Versuch ernst gemeint ist und so wurde Accuphase-Elektronik vom allerfeinsten aufgefahren, einschl. der damals ultimativen aktiven Weiche aus gleichem Hause. Rauschen oder andere Störungen waren diesem Elektronikturm absolut fremd.

      ..und ja, in den Eckpunkten wie Dynamik, Basskontrolle, vielleicht sogar Feinzeichnung in den Höhen gab es erkennbare Verbesserungen. Zwar nichts wirklich dramatisches aber immerhin schien die Theorie untermauert worden zu sein.

      Aaaaaaber zu welchem Preis?

      Die Elektronik war ungefähr 10 Mal teurer als die Speaker !!! und benötigte schon einen gewaltigen Platz. Die Frage keimte dabei sofort auf, ob das gleiche klangliche Ergebnis mit weniger Geldaufwand auch passiv erreichbar gewesen wäre. Vielleicht einfach "nur" mit einem anderen Verstärker????

      Ich persönlich mache auch klangliche Ergebnisse bei irgendwelchen Hörsessions NIE am LS-Konzept fest. Mich haben einige passive LS überzeugt, aktive enttäuscht. Andersrum war's aber auch schon.

      Vorteile beim Aktiv-System sehe ich eigentlich eher im praktischen Bereich und das sehr oft lange LS-Leitungen entfallen. Nehmen wir hier nur das Setup in einer komplexen Surroundkette. Auch "wohntechnisch" spricht einiges für die Aktiv-Variante, da oftmals baulich sehr große Amps verschwinden können.

      Eine Ausnahme ist natürlich der große Profibereich, wie z. B. Bühnenbeschallung, wo eine zentrale Weiche Vorteile bietet. Im Studiobereich ist einfach der Aufwand kleiner, der Speaker kann direkt ans Mischpult. Aber ich denke, den Bereich können wir ausklammern.

      Dass Voll-Aktiv-LS prinzipbedingt klanglich immer besser sein sollen.... über diese Brücke gehe ich nicht so ohne weiteres.
      Norbert,
      der NUR den eigenen Ohren vertraut

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        #4
        Zitat von nk Beitrag anzeigen
        Dass Voll-Aktiv-LS prinzipbedingt klanglich immer besser sein sollen.... über diese Brücke gehe ich nicht so ohne weiteres.
        Das deckt sich mit meiner Erfahrung.

        (Traue mich kaum mich in Eure spitzenmäßige und technisch wie immer fundierte Diskussion einzuklinken ;-). )
        Viele Grüße,
        Sven

        Ein Leben ohne Piega und Accuphase ist möglich aber sinnlos. (Frei nach Loriot)

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