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Das Zeit- und Phasenverhalten beim LS

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    Das Zeit- und Phasenverhalten beim LS

    Kaum ein Begriff in der Lautsprecherwelt führt so oft zur Verwirrung wie das „korrekte Phasenverhalten“ oder die „Zeitrichtigkeit“ beim Lautsprecher. Dabei ist die Wahrheit ziemlich grausam. Denn eigentlich gibt es kein phasenrichtiges Verhalten beim Lautsprecher im Zusammenhang mit unterschiedlichen Frequenzen.

    Da wir mit unserem Lautsprecher in der Regel keine Sinustöne, sondern eher ein „Frequenzgemisch“ hören, kann es keine identische Phasenlage geben. Denn auf Grund völlig unterschiedlicher Wellenlängen können die Frequenzen überhaupt nicht in allen Frequenzbereichen und in allen Abständen „deckungsgleich“ sein.

    Schaut euch hierzu bitte das Bild „hoch_tiefton.jpg“ an. Stellt euch bei dem Bild vor, dass am linken Rand die Schallwand ist, der grüne Markierungsstrich ist unser Sitzplatz. Die untere Welle ist der Tiefton, im Beispiel 200 Hz. Oben natürlich der Hochtöner, hier 1500 Hz. Ihr könnt gedanklich den Sitzplatz verschieben wohin ihr wollt, vielleicht gelingt es für einen Punkt, dass beide „Wellenhügel“ identisch sind. Aber nur wenige Zentimeter weiter oder eine etwas andere Frequenz lassen die „Phasengleichheit“ verschwinden.


    Oder anders: Nur bei identischer Frequenz, ausgestrahlt von zwei Quellen, kann es eine identische Phasenlage geben oder eben nicht.

    Im Prinzip ist das alles auch überhaupt nicht so tragisch, denn unser Ohr reagiert so gut wie gar nicht auf die Phasenlage, da es ein „Druckempfänger“ ist. Das Ohr registriert Druckunterschiede und keine Phasenunterschiede. Das klassische Beispiel ist die Stimmgabel. Wird sie angeschlagen, schwingt die Gabel schnell „hin und her“ und bewegt entsprechend die Luftmoleküle. Wir erzeugen also mit dieser Schwingung schnell wechselnde Druckunterschiede und keine Phasenunterschiede. Warum wird aber so viel Tamtam um diese „phasenrichtige Wiedergabe“ gemacht?

    Es gibt im Lautsprecher durchaus Bereiche, wo diese „Phasenkorrektheit“ wichtig ist. Fast alle Lautsprechersysteme sind Mehrwegekonstruktionen. Im Übergangsbereich zwischen Hoch- und Tieftöner müssen die Chassis in einem gewissen Frequenzbereich „zusammenarbeiten“. Also haben wir zwei Chassis, die die gleiche Frequenz abstrahlen. Hier kann es tatsächlich zu Phasenverschiebungen kommen, die zu Beeinflussungen im Amplitudengang, also in der Linearität des Frequenzganges, führen. Die Korrekturen in diesem Fehlerbereich lassen sich in der Regel in der Frequenzweiche beeinflussen.


    Allerdings es gibt etwas viel Wichtigeres in dem ganzen Zusammenhang. Das ist die „Ankunftszeit“ der Welle am Ohr, also der erste Druckimpuls der „auf’s Ohr kommt“. Dazu ein Beispiel, was wir uns auch visuell sehr gut vorstellen können. Dabei nicht vergessen, der „Ton“ eines Musikinstrumentes setzt sich aus Grundton und Obertönen zusammen. Beobachten wir den Drummer. Irgendwann tritt der heftig auf ein Pedal, das wiederum schlägt die Bassdrum an. Die Membran der Bassdrum schwingt blitzartig nach „außen“. Aus unserer Sicht auf uns zu. Da Grundton und Obertöne der Bassdrum gleichzeitig durch den Schlag des Pedals erzeugt werden, treffen praktisch die ersten Impulse aller vorhandenen Frequenzen absolut zeitgleich bei uns am Ohr an. In dem Fall mit der Bassdrum „sehen“ wir sogar, dass der erste Impuls ein Druckimpuls auf’s Ohr ist. Dazu später zu den xlr-Strippen noch ein kleines Wort.

    Sehen wir uns die ganz „normalen“ Lautsprecherchassis an, erkennen wir, dass der Hochtöner verhältnismäßig klein, das Basschasis ein dicker Brocken ist. Das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist die Bautiefe. Denn es gilt: Der Ton entsteht bei einem Lautsprecherchassis in seinem akustischen Zentrum. Dieses akustische Zentrum liegt in der Regel da, wo die Schwingspule mit der Membran verklebt ist. Bauen wir jetzt einen dicken Tieftöner und einen kleinen Hochtöner auf eine Schallwand wird klar, was passiert. Das akustische Zentrum des Hochtöners liegt viel weiter „vorne“. In der Folge werden demnach die Obertöne einen „Tick“ eher am Ohr sein als der Grundton. Jetzt kommt es natürlich zum Begriffswirrwar. Denn hier handelt es sich auch um eine Phasenverschiebung. Denken wir daran, dass ja beide Chassis durchaus die gleiche Frequenz übertragen können. Nur ein Chassis ist halt etwas früher „am Ohr“ und schon haben wir einen Zeitversatz = Phasenverschiebung.

    Der Konstrukteur hat einige Möglichkeiten, diesen Zeitversatz zu korrigieren. Er kann eine „Stufenschallwand“ bauen, er kann eine nach hinten kippende Schallwand bauen oder er kann den Abstand der Chassis so variieren, dass auf Grund längerer Wege dieser Versatz ausgeglichen wird. Einen anderen Weg geht z. B. die Firma Ascendo, dort sitzt der Hochtöner oben auf dem Gehäuse und kann mit einer Schiene nach vorne oder hinten geschoben werden.

    Alle Korrekturen beinhalten aber wieder andere Probleme. So entstehen z. B. an treppenförmigen Schallwänden Reflexionen, die wiederum bekämpft werden müssen. Große Abstände der Chassis erfordern große Hörabstände usw., usw.

    An diesem Punkt schlagen natürlich die Hardcorer der Aktivfraktion zu, die jetzt in der Aktivweiche entsprechende Korrekturen vornehmen können.

    Aber was ist eigentlich besser......einen Fehler korrigieren oder ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen?

    Wenn wir zusammenfassen, ergibt sich Folgendes:
    • Unser Ohr ist ein Druckempfänger und kein Phasenanalysator.
    • Bei unterschiedlichen Frequenzen gibt es keine identische Phasenlage.
    • Nur im Übergangsbereich der einzelnen Chassis kann es Phasenverschiebungen geben.
    • Wichtiger ist das zeitgleiche „Ankommen“ des ersten Impulses.
    • Fehler in diesem Zusammenhang zu vermeiden ist besser als sie zu korrigieren.
    Betrachten wir uns mit dem Wissen einmal ein ganz normales 3-Wege-System, bestehend aus Tieftöner, Kalottenmittel und –hochtöner. Alle drei sind gemäß der Lehrbuchmeinung übereinander angeordnet, oben natürlich der Hochtöner

    Kleinste Abweichungen in der Sitzhöhe oder minimale Veränderungen im Abstand zur Lautsprecherbox führen zu Veränderungen in der Laufzeit der einzelnen Chassis zum Hörplatz. Bedingt durch diese Laufzeitveränderung nehmen wir einmal Einfluss auf das zeitgleiche Eintreffen des ersten Impulses. Klar, wenn wir den Lautsprecher etwas höher stellen, als vom Entwickler geplant, ist der Weg vom Hochtöner zum Ohr etwas länger.

    Der nächste Aspekt ist der Übergangsbereich zweier Chassis. Um Fehler in dem Bereich zu vermeiden, in dem die Chassis gezwungener Maßen zusammenarbeiten, hat der Konstrukteur z. B. den Abstand der Chassis festgelegt. Durch die genannten Variablen Sitzabstand, Standhöhe usw. wird dieses ideale Verhältnis oftmals verlassen. Diese jetzt entstehenden Zeitverschiebungen = Phasenfehler (zwei Quellen bei gleicher Frequenz) führen wiederum zu Interferenzen (Überlagerungen) die ihrerseits zu Überhöhungen oder Auslöschungen im Amplitudengang führen. Im Endeffekt könnte also ein recht welliger Frequenzgang am Hörplatz entstehen, nur weil der Abstand zur Lautsprecherbox nicht passt.

    Egal, welchen Fehler wir nun hören, sei es der zeitliche Versatz des ersten Impulses oder der Phasenfehler im Übergangsbereich der Chassis, beides registrieren wir als Fehler, beide Fehler fordern „Ausgleichsarbeit“ des Gehirns und führen somit zur schnellen Müdigkeit.

    Und da schlägt die Stunde des Bändchen-Koax. In seinem gesamten Arbeitsbereich „kennt“ er keinen Zeitversatz. Sämtliche Töne entstehen auf einer Ebene. Und zwar auf allen drei Achsen. Wir haben praktisch mit dem flachen Koax die punktförmige Schallquelle und deshalb aus jedem „Betrachtungswinkel“ die gleichen Abstände. Und somit haben wir überhaupt keine Probleme mit dem Hörabstand, wenn der Lautsprecher etwas höher/tiefer steht oder er nach hinten oder vorne gekippt wird. Kurt muss sich als „nur“ noch um den Übergang zum Tieftöner kümmern. Und da hilft ihm sogar noch unser Ohr. Je tiefer dieser Übergang ist, desto unempfindlicher reagiert unser Ohr auf diese Fehler. Auch ein Grund, warum der große Koax noch besser ist, weil er in seiner unteren Grenzfrequenz tiefer liegt und mit steigender Wellenlänge das Ohr auf diese Fehler immer unanfälliger reagiert. Und in dem Bereich, in dem unser Ohr extrem sensibel reagiert, fabriziert der Koax keine Fehler, die korrigiert werden müssen, was neue Probleme nach sich ziehen würde.




    Ein Wort noch zur „Phasenlage“ beim xlr-Stecker. Erinnern wir uns an das Beispiel mit der Bassdrum: Haben wir schon einmal eine Bassdrum gehört, hat das Gesamtsystem Ohr-Hirn dieses Geräusch auf Dauer abgespeichert. Wenn alles korrekt kontaktiert ist, gibt natürlich unsere Wiedergabekette das Signal bis ans Ohr richtig weiter. Das heißt, der erste Impuls der Bassdrum ist ein Druckimpuls aufs Ohr. Gleiches gilt in der menschlichen Sprache zum Beispiel bei den P-Lauten. Ist die Kontaktierung an einer Stelle vertauscht, kann es passieren, dass der erste Impuls praktisch ein „Saugimpuls“ ist und unser Ohr sofort „Fehler“ signalisiert. Da dummerweise die xlr-Kontaktierung im Heimbereich nicht genormt ist, kann dieser Fehler recht häufig auftreten. „Dramatische“ Klangunterschiede in Verbindung mit xlr-Kabeln haben also oftmals eine ganz banale Ursache.


    Meinen Dank an Kurt, der den Beitrag auf sachliche Fehler hin überprüfte.
    Angehängte Dateien
    Norbert,
    der NUR den eigenen Ohren vertraut

    #2
    Hallo Norbert,

    danke, sehr gute Beschreibung der Zusammenhänge. Was mir zusätzlich am Piega-Koax gefällt, ist das (fast) trägheitslose Abstrahlverhalten. Die Folien können somit ohne störende Eigenschwingungen dem Musiksignal folgen.

    Kürzlich wurde ich mal von Gästen etwas provokatorisch gefragt, wo denn eigentlich die großen Innovationen im 'HighEnd' wären. Man bewege sich ja wieder zurück in Richtung Produkte des 2. Weltkrieges. Röhrenverstärker, trichterförmige LS und Plattenspieler wurden als Beispiele angeführt. Die Entwicklung komprimierter Musikformate nebst Player wurden als innovativ eingestuft. Ich erinnerte mich wieder an Deinen Artikel: 'ist HIFI noch zu retten'...???
    Ohne viel Worte und ätzende Diskussionen bat ich dann die netten Gäste, den Sitzplatz in Richtung 'sweet spot' zu wechseln. Es reichten zwei Musikstücke von der NAS über WLAN auf Laptop, DAC ... und schließlich auf die TC 70 um dem Gespräch eine Wende zu geben.

    Kollektive Erkenntnis und Erfahrung: Die TC 70 und die realisierten Technologien (z.B. der Koax) gehören bestimmt zu den (z. T. unbekannten) Innovationen des heutigen HighEnd's

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