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Membranhub vs. -fläche

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    Membranhub vs. -fläche

    Nicht ganz wissenschaftlich präzise ausgedrückt: Je lauter wir Musik hören wollen, desto mehr Luft muss ein LS-Chassis bewegen.

    Bei tiefen Frequenzen und höheren Pegel muss schon mal 1 Kubikmeter Luft und mehr bewegt werden (siehe unten die Tabellen). Die erforderliche Luftmenge kann bewegt werden, wenn wir eine große Membranfläche oder einen großen Membranhub nutzen. Grundsätzlich gilt, dass bei einer Halbierung der Frequenz sich der Hub um den Faktor 4 verlängert. Beispiel: Der Unterschied zwischen 80 Hz und 40 Hz liegt im 4-fachen Membranhub!

    Es ist nicht schwer, ein System zu bauen, das in den tiefen Frequenzkeller geht. Es ist aber schwer, dass diese Frequenzen auch noch laut abgestrahlt werden. Aber genau das wird benötigt, damit der Frequenzgang linear bleibt und somit die Bässe gleichlaut abgestrahlt werden wie der übrige Frequenzbereich.

    Bei den folgenden Betrachtungen ist es ziemlich einfach, da die Nachteile des Einen gleichzeitig die Vorteile des Anderen sind.

    Damit sich ein dynamisches Lautsprecherchassis bewegen kann, wird eine Spule mit Wechselstrom durchflossen, dabei entsteht ein frequenzabhängiges wechselndes Magnetfeld. Diese Spule befindet sich in einem Permanentmagneten. Die Magnetfelder des Dauermagneten und das wechselnde Feld der Spule „stoßen“ sich im Rhythmus des Wechselstromes ab. Diese Bewegung wird dann auf die Membran übertragen und am Ende wird „Luft bewegt“.

    Es hängt jetzt von konstruktiven Details ab, wann Verzerrungen auftreten. Denn bei der Bewegung der Spule im Dauermagneten verändert sich die Auswirkung des Magnetfeldes vom Dauermagneten auf die Spule. Das kann so weit gehen, dass die Spule teilweise aus dem Dauermagneten ragt und somit ein drastischer Leistungsverlust eintritt. Denn die Spule wird ja weiterhin vom hohen Strom durchflossen, befindet sich aber nicht mehr ganz im Magneten und somit „verpufft“ einfach die zugeführte Stromleistung. Die „Strommenge“ und die umgesetzte Bewegung stehen nicht mehr im korrekten Verhältnis, die Verzerrungen steigen an. Zudem bricht die Schwingspulen-Impedanz sehr stark zusammen, sobald die Spule das Magnetsystem (Spulenkern) verlässt. Dies führt zu weiteren Verzerrungen, nicht zuletzt auch des Verstärkers.

    Prinzipiell ist es also so, dass bereits im System Spule/Magnet Verzerrungen eintreten können, nur weil sich das System bewegt. Das ist natürlich auch von vielen Details abhängig.

    Ein langer Membranhub beinhaltet den Dopplereffekt. Da dieser aber beim Lautsprecher von sehr vielen Faktoren abhängt, sei er hier nur kurz erwähnt.

    Bei größeren Membranbewegungen sind auch die Zentrierspinne und die Sicke gefordert - also die „innere“ und die „äußere“ Führung der Membran. Je größer der konstruktiv maximale Membranhub ist, desto flexibler muss natürlich die Aufhängung sein. Eine flexible Führung ist aber wieder anfälliger gegenüber Taumelbewegungen. Selbstverständlich könnte die Führung „stabiler“ gebaut werden, dann muss natürlich der Antrieb stärker werden.

    Lange Membranbewegungen beinhalten gleichzeitig, dass die Membran auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden muss, da innerhalb einer Zeitkonstante ein längerer Weg zurückgelegt werden muss. Das wiederum bedeutet einen stärkeren Antrieb.

    Ein stärkerer Antrieb ist aber immer auch größer und schwerer, manchmal lässt er sich auch gar nicht umsetzen, weil es die geometrischen Verhältnisse nicht zulassen.
    Die großen Membranbewegungen oder große Antriebe erfordern gleichfalls eine sehr stabile Korbkonstruktion, um die Kräfte aufnehmen zu können. Entsprechend massiv muss die Schallwand konzipiert sein.

    Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte also eine Vergrößerung der Membranfläche sein. Oder…?

    Auf Grund der größeren Fläche fällt der Hub kleiner aus. Demzufolge sind einige Probleme kleiner. Allerdings kann auch ein schlecht konstruiertes großes Chassis Schwierigkeiten im Antrieb haben, wie sie oben geschildert sind.

    Aber das Hauptproblem liegt in der Membran selbst. Denn große Membranen neigen stärker dazu, sich in sich zu verbiegen. Die sogenannten Partialschwingungen können deutlich ausgeprägter sein. Das heißt, dass es kein idealer Kolbenschwinger mehr ist und sich auf der Membran sogar Auslöschungen bilden können.

    Da sich das Bündelungsverhalten in einer Abhängigkeit zwischen Frequenz und Membrangröße befindet, bündeln größere Membranflächen viel eher als kleine Membranen.

    Mit der Größe der Membranfläche steigt die Membranmasse, was wiederum bedeutet, dass große Chassis keine hohen Töne abstrahlen können. Sie sind einfach zu schwer, um den schnellen Bewegungen zu folgen.

    Und natürlich bedeuten große Chassis auch große Schallwände, was wiederum Auswirkungen auf die gesamte Abstrahlcharakteristik der Lautsprecherbox hat. Dass sich große LS nur bedingt harmonisch in Wohnräume integrieren lassen, sei nur am Rande erwähnt ;-)

    Eine weitere Lösung liegt darin, mehrere (kleinere) Chassis für den gleichen Frequenzbereich einzusetzen, um die Membranfläche zu vergrößern. Das wird auch sehr oft gemacht, wie am Beispiel vieler Doppelbass-Systeme zu sehen ist. Rein von der Theorie her spielt ein Doppelbass-System 3 dB lauter als ein Single-Bass (bei gleicher Leistungszuführung). Leider ist das aber auch nur die halbe Wahrheit, da natürlich zwei Basschassis ein deutlich größeres Luftvolumen in der Box benötigen. Im Volumen wird die LS-Box zwar nicht unbedingt kleiner, wenn wir ein großes oder zwei kleine Chassis einsetzen, allerdings kann die Schallwand bei zwei kleineren Chassis schmaler gehalten werden.

    In der Theorie ist es so, dass zwei „kleinere Chassis“ leichte Vorteile gegenüber einer großen Membran haben. Denn die große Membran neigt eher zu Partialschwingungen und der äußere Bereich einer großen Membran hinkt gegenüber der Membranmitte immer etwas nach. Der Techniker spricht dann davon, dass sich die Membran nicht überall in Phase befindet. Es kommt sogar der Punkt, wo eine „Reihe von Tieftönern“ eine günstigere Anregung der Raummoden bedeutet, was sich im Hörraum positiv auswirkt.

    Natürlich gelten die Betrachtungen prinzipiell für den gesamten Frequenzbereich, also auch für den Hochtonbereich. Auch hier können Verzerrungen durch kurzen Membranhub niedriger gehalten werden. Allerdings sind vor allem im Hochtonbereich die Probleme durch eine große Membranfläche noch ausgeprägter als bei einem Tieftöner. Große Membranen sind schwerer, was prinzipiell für den Hochtonbereich schlecht ist. Vor allem das Bündelungsverhalten einer größeren Membran würde dem Konstrukteur ziemlich große Probleme bereiten. Mehrere Chassis könnten zum Erfolg führen, allerdings gibt es dabei ganz neue Probleme, wie z. B. Laufzeitdifferenzen oder ungewollte Interferenzen bei mehreren Chassis. Wir dürfen gerade in diesem einen Punkt nicht vergessen, dass das Ohr in verschiedenen Frequenzbereichen unterschiedlich sensibel reagiert. Was bei zwei Doppelbässen relativ einfach möglich ist, da es das Ohr nicht (oder kaum) registriert, geht bei zwei Hochtönern mit Sicherheit schief.

    Oder aber der „normale“ Weg wird verlassen und es kommen Systeme wie Line-Arrays zum Einsatz. Aufgrund ihrer „Schallzeilenlänge“ sehr vieler übereinander angeordneter Einzelchassis entsteht eine bestimmte und gewollte Schallführung bei gleichzeitig großer Membranfläche und somit kleinen Membranauslenkungen. Leider gilt hier: Das LineArray-Prinzip funktioniert nicht in „klein“.

    Der letzte Weg wäre, durch Schallführung den Pegel zu erhöhen, wie es z. B. bei Hornlautsprechern erfolgt. Auch wenn die modernen Hornsysteme mittlerweile recht verfärbungsfrei klingen können, so bleibt ein großer Nachteil wohl auf Dauer: ihre Baugröße, vor allem im Bassbereich.

    In der Thematik Membranfläche vs. Membranhub kommt der Konstrukteur nur mit Kompromissen aus. Das typische Beispiel ist der Unterschied zwischen einem 2-Wege- oder einem 3-Wege-System. Bei einem 2-Weger muss das Tieftonchassis bis in die mittleren Lagen abstrahlen. Die Trägheit der Membranmasse und das Bündelungsverhalten setzen dem aber Grenzen.

    Nehmen wir einen Speaker, der von 50 – 22000 Hz abstrahlt, mit einer Trennfrequenz bei 3200 Hz, dann muss das Tieftonchassis 6 Oktaven* übertragen. Das ist für ein relativ großes Chassis „Stress pur“. Als „Gegenleistung“ kann die Frequenzweiche einfacher gehalten werden, was an dieser Stelle weniger Negativbeeinflussungen bedeutet.

    Beim 3-Weger und Trennfrequenzen bei 500 und 3200 Hz muss der Tieftöner nur gut 3 Oktaven übertragen. Dafür ist die Weiche aufwändiger.

    Am Ende steht, dass der Hörer einfach nur verstehen muss, dass „kleine Lautsprecherboxen“ eine frühe physikalische Grenze haben, wenn es um „tief UND laut“ gehen soll. Von einem kleinen Tieftöner kann einfach weniger Luft bewegt werden.

    Die Betrachtungen sind übrigens völlig unabhängig davon, ob es Aktiv- oder Passivboxen sind. Beide müssen am Ende einfach nur Luft bewegen. Zwar kann durch Aktivsysteme ein erstaunlicher Bass aus kleinen Gehäusen gezaubert werden, dann ist aber der Maxpegel oder die Dynamik sehr begrenzt. Der mögliche Maximalhub und somit die angetriebene Luftmenge eines Chassis bleibt vom Aktiv-/Passivprinzip unberührt.

    Weiter oben kam das Beispiel, dass zwischen 40 Hz und 80 Hz der 4-fache Membranhub liegt. An dieser Stelle wird vielleicht klarer, warum oftmals Subwoofer dem Hauptlautsprecher die Arbeit deutlich erleichtern können, wenn der Sub als Hochpassfilter eingesetzt wird. Das heißt, er koppelt den Hauptlautsprecher von den tiefsten Frequenzen ab.

    Zum Schmökern mit Formeln und Tabellen:



    *
    1 Oktave beinhaltet immer eine Frequenzverdoppelung/-halbierung.
    Von 200 auf 100 Hz oder von 440 auf 880 Hz ist jeweils 1 Oktave




    Vielen Dank an Kurt für seine Unterstützung
    Norbert,
    der NUR den eigenen Ohren vertraut
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